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zurückFrauen für die Bilateralen_Susanne Vincenz-Stauffacher

Interview

“Für meine Töchter wünsche ich mir uneingeschränkte Möglichkeiten – auch über die Landesgrenze hinaus.”

Susanne Vincenz-Stauffacher über ihre Sorge um die Zukunft unserer nächsten Generation und die Bedeutung der Frauen in der Europapolitik

von Nicole Wiedemeier

Wie viele persönliche Chancen uns eine gute Beziehung zu unseren europäischen Nachbarländern tagtäglich bieten, gerät viel zu oft in Vergessenheit. Ein Spaziergang über die Grenze, eine Ausbildung in der Nachbarstadt, ein Job im Ausland – was für viele von uns in der Regel als selbstverständlich scheint, wurde während der Corona-Pandemie rasch zu einem Luxusgut. Da spürt eine Ostschweizerin wie Susanne Vincenz-Stauffacher, die unmittelbar an der Grenze lebt, sehr direkt, wie wichtig offene Türen zu Europa sind. Für heute, aber vor allem auch für die nächste Generation. Für die Debatte über die künftige Ausgestaltung der Partnerschaft zwischen der Schweiz und der EU wünscht sich die Rechtsanwältin, Ombudsfrau und ehemalige Präsidentin der FDP.Die Liberalen Frauen Schweiz, dass diese Aspekte eingebracht werden.

Frau Vincenz-Stauffacher, was bedeutet Ihnen der bilaterale Weg persönlich?  

Ich bin im Kanton St. Gallen geboren und aufgewachsen. Hier habe ich studiert, hier lebe ich mit meiner Familie und bin ich als selbstständige Rechtsanwältin und Ombudsfrau tätig. Diese geographische Nähe zum Bodensee als «Drei-Länder-See» und zur Landesgrenze zu Liechtenstein, Österreich und Deutschland sowie das nachbarschaftliche Verhältnis der Schweiz zu diesen Ländern hat mich geprägt. Als Ostschweizerin liegt mir das Wohl dieser Grenzregion mit ihrem vielseitigen Gesicht besonders am Herzen. So gesehen war es ein eigentlicher Schock, als zu Coronazeiten zum Beispiel der Spaziergang zwischen Kreuzlingen und Konstanz oder die Velofahrt von Rheineck an den Rohrspitz in Österreich plötzlich nicht mehr oder nur noch sehr erschwert möglich war. 

Aber unabhängig von meiner persönlichen Befindlichkeit: Geregelte Beziehungen zur EU sind meiner Überzeugung nach unerlässlich, da wir in so vielen Bereichen mit der EU verflochten sind. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Stromversorgung. Das Schweizer Übertragungsnetz ist mit 41 grenzüberschreitenden Leitungen eng mit dem europäischen Verbundnetz verknüpft. Ein Alleingang der Schweiz in diesem Bereich ist undenkbar. Mein Motto in meiner politischen Arbeit auf einen Nenner gebracht: «Vernetzen, nicht abschotten.» Als Exportnation und insbesondere als Exportregion Ostschweiz sind gute Handelsbeziehungen zu unseren Nachbarländern essenziell. 

Sie haben bis vor Kurzem die FDP.Die Liberalen Frauen Schweiz präsidiert. Wieso ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass sich Frauen in der öffentlichen Diskussion um die künftige Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU Gehör verschaffen?  

Die Stimme der Frauen ist wichtig, da sie je nach Thema anders von politischen Entscheiden betroffen sind als Männer. Verschiedene Abstimmungsresultate in den letzten Jahren haben gezeigt, dass die Frauen an der Urne einen – vielfach entscheidenden – Unterschied machen. Als Arbeitgeberinnen sind wir auf gut ausgebildete Fachkräfte auch aus dem Ausland angewiesen, als Arbeitnehmerinnen wollen wir die Option bewahren, dank der Personenfreizügigkeit unkompliziert in der EU arbeiten zu können. 

Oder anders gesagt: Für die Wirtschaft, aber auch für die ganze Gesellschaft, ist es wichtig, dass das grosse Wissens- und Leistungspotenzial der Frauen bestmöglich genutzt wird. Und im Speziellen die Stimme der Mütter. Als Mutter wünsche ich mir, dass meinen Töchtern alle Türen auch ausserhalb unserer Landesgrenzen offenstehen. Sie sollen ohne grosse Einschränkungen lernen und sich weiterbilden können – aber auch reisen oder leben können, wo es für sie stimmt. All diese Aspekte gehören in die Debatte um die Bilateralen III.   

Sie sind politisch aktiv, berufstätig und Mutter. Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Schweizer Europapolitik?  

Ich wünsche mir, dass wir unseren Wohlstand sichern und damit auch zukünftige Generationen gute Rahmenbedingungen in unserem Land vorfinden – dass es sich auch zukünftig lohnt, sich zu engagieren. Ein entscheidender Faktor dafür bleibt eine stabile und geregelte Beziehung zu unserer wichtigsten Handelspartnerin, der EU. Dies hat zu unserem Wohlstand beigetragen, bringt Vorteile für jede und jeden Einzelnen von uns. Was das Gegenteil bewirken kann, sehen wir im Moment exemplarisch an der aggressiven, grobschlächtigen und auch irrationalen Handelspolitik der USA. Eine Partnerschaft basiert auf Vertrauen sowie gegenseitigem Verständnis und Respekt – aus meiner Sicht wichtige Schweizer Werte, die wir in unserem Verhältnis zur EU bisher hochgehalten haben und auch in Zukunft vertreten sollten.

Deine Stimme macht den Unterschied – trag dich jetzt gleich ein!

Es ist an der Zeit, zusammen für eine faire Zukunft und eine nachhaltige Europapolitik einzustehen. Denn sie bietet uns Frauen so viele Möglichkeiten! Je mehr Frauen, desto lauter sind wir!